Die besseren Eltern? Die Eltern! Teil 4: Sie garantieren Bildung

 

Das Störfeuer gegen intuitive, und das bedeutet immer bindungsfreundliche,  Eltern ist ein ausgewogener Mix: Rückständig seien sie, Helikoptereltern, überbehütend…  Im Gegenzug sei – so der politisch korrekte Irrglaube – die ganztägige Erziehung im Kollektiv der einzige Zugang zu Bildung, Selbständigkeit und sozialer Kompetenz. Tatsächlich aber gibt es keine Bildung ohne Bindung. Das bedeutet: gerade die intuitiven Eltern sind die Garanten von Bildung.

Das Primat von Anpassung und Reproduktion in der frühkindlichen Bildung

Nehmen wir einmal die frühkindliche Bildung, das neue Synonym für Krippe und Kita. Sie legt ihren Schwerpunkt auf Anpassungsleistungen des Kindes an sein Umfeld. Alle waschen sich jetzt die Hände, alle basteln in der Projektwoche einen Schneemann, Streithähne sagen brav “Entschuldigung”… Zusätzlich zu dieser Leistung erwartet man vom Kind papageienhafte Reproduktion von Vorgegebenem. Zählen auf Englisch: uan, too, sriii…, Benennen von Farben… Man kann es in den Lehrplänen nachlesen.

Der Seelengrund: unerschöpfliche Quelle für das unbeschwerte freie Kinderspiel

Das alles lenkt das Kind von seinen ureigenen in seinem Inneren tiefe verwurzelten Möglichkeit ab, sich autonom selbst zu bilden. Die aus dem Seelengrund erwachsende Schöpferkraft des freien Spiels ist eine eingebaute Bildungsquelle, in die sich kein Erwachsener einmischen muss. Es bedarf keiner Übergriffe oder Vorgaben. Wenn ein Kindergarten für Menschen zwischen 3 und 6 Jahren sich zum freien Kinderspiel bekennt und an die Bindung im Elternhaus anknüpft, dann leisten diese beiden die allerbeste Bildungsförderung.

Keine Bildung ohne Bindung

Diese Bildung ist existentiell auf Bindung angewiesen. Die Bindung gewährleistet nämlich den Schutz des sich von innen nach außen Entwickelns. Während es aus seinem Innen schöpfend spielt, ist das Kind sehr verletzbar. Es öffnet ja und offenbart sein Inneres. Das Öffnen ist ein großer Luxus, den sich nur die von einem Erwachsenen zuverlässig Beschützten leisten können. Ist dieser Schutz hingegen nicht hinreichend, so kann der Prozess, in dem das Kind sich selbst bildet, abreißen. Als Kunsterzieherin in einem Kindergarten erlebe ich das. Ein Beispiel:

Der frühzeitige Abschied vom selbstvergessenen freien Spiel: Ein kleines Mädchen wird vorzeitig in die Vorschulgruppe entlassen und damit versiegt die zuvor unerschöpfliche Quelle für das unbeschwerte freie Kinderspiel. Es scheint, als wäre das Kind von seiner inneren Freude getrennt. Stattdessen schwingt es sich zum Kontrolleur der anderen Kinder auf. Rigide fordert es Rechenschaft für deren Tun, sie bewacht die Einhaltung von Regeln und das Petzen nimmt kein Ende. So kommt dieses vierjährige Mädchen im Kinderkollektiv nicht nur in ein „setting“, welches seine eigene Weiterentwicklung gefährdet. Darüber hinaus gefährdet sie auch ihrerseits das ungestörte Spiel und damit die Entwicklungsmöglichkeiten ihrer Spielkameraden. Sozial wird sie und die anderen dadurch nicht, gebildet auch nicht. Im Gegenteil.

Bindung heißt auch Schutz des Spielraums

Vor diesem Hintergrund ist es, neben der menschlichem, auch noch zusätzlich eine bildungsmäßige Katastrophe, Eltern beim Schützen zu stören. Eine Art sie zu stören, ist sie dem Anpassungsdruck einer regelrechten Auslagerung der Kindheit aus dem Elternhaus auszusetzen. So schrieb mir eine Leserin:

Wir haben öfters folgende Situation: Freier Nachmittag, meine drei Kinder hängen zu Hause rum, lesen, hören Musik etc… Obschon sich niemand über Langweile beschwert, habe ich das nagende Gefühl, dass sie doch mit anderen Kindern abmachen, draußen sein und spielen sollten. Ich setze mich selbst unter Druck und frage gefühlt alle 5 Minuten: Geht es Euch gut? Was habt Ihr für heute denn noch vor? … und dann merke ich, dass die einzige, die hier ein Problem hat, ich selbst bin, weil ich den Glaubenssatz in mir trage, dass Kinder doch das Bedürfnis haben müssen, andere Kinder zu treffen und etwas zu unternehmen. Ich mache mir ernsthaft Sorgen, dass meine Kinder zu wenig erleben könnten. Sie machen gerne mit anderen ab, aber sie sind nach der Schule auch ganz gerne einfach zu Hause und tun „nichts“.

Eine Freundin, deren Kinder permanent Programm haben, fragte mich vor Kurzem: Sind Deine Kinder so introvertiert? Die Frage nervte mich, aber ich mochte in dem Moment keine Antwort geben. Vermutlich hätte sie es auch gar nicht verstanden. Nein, meine Kinder sind nicht introvertiert! Sie haben ihre wirklich guten Freunde und genießen es, mit diesen abzumachen. Aber sie sind einfach auch gerne zu Hause und fühlen sich deswegen nicht leer oder einsam. Das scheint in unserer Gesellschaft irgendwie seltsam, wenn nicht sogar pathologisch zu sein: Dass sich Kinder zu Hause zufrieden fühlen. Kinder hingegen, die ständig von A nach B rennen und, kaum sind sie 5 Minuten zu Hause, nervös werden, weil sie nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen, scheinen hingegen die Norm zu sein. Je länger ich darüber nachdenke, desto tragischer erscheint mir das Ganze. Und ich beschließe, an mir selbst zu arbeiten und von meinen Jungs die Fähigkeit des „Nichtstuns“ zu lernen.
Wie siehst Du das?

Ich sehe das so:

Ja, ich sehe das ganz genauso. Das private Zuhause ist ein durch Umweltbelastungen gefährdetes Biotop für die Entwicklung der Kinder. Äußerlich betrachtet erscheint der Umweltbelastungsversuch unerheblich. Das Störmanöver kommt als unscheinbare Frage daher. Die Freundin gibt vor, wissen zu wollen, ob die Jungen introvertiert seien. Nein, sie will es gar nicht wissen. Die Frage zeugt von Beunruhigung über das Ausscheren dieser Familie, aus dem gängigen Muster der Auslagerung von Kindheit in die Öffentlichkeit. Die Freundin wittert in einem anderen Haus den Segen einer reinen Umwelt, den sie den eignen Kindern nicht beschert.

Tatsächlich bietet das Zuhause der Briefschreiberin den angeblich Introvertierten genau die richtige Umgebung für ihre Entwicklung.

Der Einsatz zu seinem Schutz ist eine schwere Aufgabe für aufmerksame Eltern, wie diese Mutter. Aber er lohnt sich. Ich vermute sogar einen Zusammenhang zwischen der kindlichen Fähigkeit zur Muße und einem ganz entscheidenden Moment in der Biografie eines Menschen. Der guten Berufswahl.

Die besseren Eltern sind die Eltern, weil es in ihrer Kompetenz liegt, ihren Kindern einen geschützten Spielraum zu geben. Den brauchen sie unbedingt, weil sie verletzlich sind, während sie ihr Innerstes offenbaren. Dieses Offenbaren ist nämlich eine der Voraussetzungen für die Entwicklung von Individualität.

 

 

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert